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Rossbergstrasse 3 | Kaplanei

Das Kaplanenhaus

Das Kaplanenhaus, oder wie wir hier in Steinen sagen «Kaplanei», ist eingebettet in die Häusergruppe vom Gemeindehaus – Pfarrhaus und Gasthaus Hirschen. Lange ist man davon ausgegangen, dass die Kaplanei ca. 1800 gebaut worden ist, bis die Untersuchungen im Vorfeld der letzten Restaurierung in den Jahren 2021/22 gezeigt haben, dass der Bau der Kaplanei zurückgeht bis ins Jahr 1538. Zu dieser Zeit wurde der Kernbau des Gebäudes auf einer quadratischen Fläche von 8.80 m x 8.80 m in der Blockbautechnik errichtet.

 

In einer zweiten Phase um das Jahr 1790 wurde in einem massiven Eingriff das Dachwerk inklusive Dachkammer ab dem 2. Balken des Gründungsbaus abgetragen und durch einen eingeschossigen Aufbau, ebenfalls in Blockbautechnik, um 2.20 m erhöht. Das bisherige Satteldach ist, passend zur damaligen Franzosenzeit, durch ein Zeltdach ersetzt worden. Dies hat dem Gebäude das heutige Aussehen mit drei oberirdischen Vollgeschossen gegeben. Gleichzeitig wurden die Fenster über die drei Vollgeschosse streng axial angelegt und mit Blindfenstern (von aussen als «echte Fenster» wahrnehmbar, obwohls gar keine Fenster sind) ergänzt.

 

In einer dritten Phase, ungefähr um 1870, erfolgte der Anbau des Treppenhauses und Schindelschirms an die rückwärtige Nordwestfassade, welche wie das übrige Gebäude mit Rundschindeln verkleidet waren.

Aussenansicht der Kaplanei nach dem Umbau

Mit der aufwendigen Restaurierung in den Jahren 2021/22 konnte die Kaplanei mit einer neuen Vertikalerschliessung inklusive Lift (Anbau gegen das Pfarrhaus hin) ergänzt werden, um eine zeitgemässe Nutzung des Gebäudes zu erreichen. 120'000 von Hand gespaltene Schindeln geben der Kaplanei ihr prachtvolles äusseres Aussehen. Die gesamte Restaurierung wurde durch die Denkmalpflege des Kantons Schwyz begleitet und finanziell unterstützt.

Rossbergstrasse 3 | Kaplanei

Das Innere der Kaplanei

Doch begeben wir uns jetzt ins Gebäudeinnere, zuerst ins Untergeschoss: Der schöne Raum mit dem teils sichtbaren, teils verputzten Mauerwerk ist als Ausstellungsraum für die Kirchenschätze angedacht. Das, was aussieht wie Schiessscharten in der Mauer, sind nichts anderes als Öffnungen für die Luftzirkulation. Auch das wunderbar angefertigte hölzerne Türfensterli ist nichts anderes als eine Öffnung für Luftzirkulation zwischen den Räumen. Dazumal hat man sich noch Zeit genommen, auch sonst unscheinbare Sachen mit einer hohen Handwerkskunst anzufertigen.

 

Vom Kellergeschoss aufwärts ist alles in Holz. Das Erdgeschoss mit dem wunderschön restaurierten

Büffet (vermutlich aus dem 18. Jahrhundert) wird für pfarreiliche Anlässe benützt. Etwas ganz Spezielles in diesem Raum sind die sogenannten «Flämmli» an der sichtbaren alten Holzwand. Was diese genau zu bedeuten haben, ist ein Rätsel. Möglicherweise hat das etwas mit Geister Austreiben zu tun, möglicherweise mit dem Gedanken an die Armen Seelen.
Der Raum ist mit einer modernen Küche ausgestattet und kann gemietet werden. Er bietet Platz für 30-40 Personen.

Die alte Holzdecke galt bei der Restauration 2021/22 als Referenzpunkt für die Höhe. Von dieser fixen Decke aus durften die Raumhöhen gegen oben und gegen unten leicht angepasst werden.

 

Auch im Obergeschoss sieht man viel vom alten Holz. Bei der Tür vom Religionszimmer zum Archivraum ist die Höhenveränderung gut erkennbar: Das dunkle Holz stammt von 1538, das hellere Holz von 1790 und das ganz helle Holz von 2021/22. Im Sitzungszimmer hängt ein digital vergrössertes Aquarell der Gemeinde Steinen aus dem Jahre 1831, äusserst präzis gezeichnet von David Alois Schmid (1791-1861). Dieses Bild durfte mit dem Einverständnis der Besitzerfamilie bei allen Filmen als Grundlage zum Überblenden mit der aktuellen Dorfansicht verwendet werden, was einen tollen Effekt ergibt. Der Standort der Bildaufnahme liegt an der Rossbergstrasse 19.

 

Für viele das Bijou des ganzen Hauses ist der Dachstuhl von ungefähr 1790. Dies gilt auch für den einheimischen Zimmermann Beat Kündig, der die jüngste Restaurierung von zuunterst bis zuoberst mit sehr, sehr viel Herzblut ausgeführt hat. «Einen solchen Dachstuhl mit den damaligen Mitteln auszuführen, das ist absolut höchste Zimmermannskunst», sagt er. Das Wunderwerk ist von der ganzen Dachwohnung aus sichtbar.

Dem Stiftungszweck entsprechend ist die Wohnung in der Regel für Seelsorgende reserviert, kann aber bei Nichtbedarf auch anderweitig vermietet werden.

Innenansicht der Kaplanei während der Renovation

Die Kaplanei weist aber nicht nur vom Denkmalschutz her einen hohen Wert auf, sondern auch von den Personen, die darin lebten und leben. Den älteren Steinerinnen und Steinern sind die beiden letzten Geistlichen, die das Haus bewohnten, noch in bester Erinnerung: Der gestrenge HH. Pfarr-Resignat und Kaplan Caspar Schwyter (1887-1968) und der volksverbundene Kaplan Albert Binzegger (1907-1978), liebevoll genannt «Beaujolais». Dieser Übername wohl wegen seines Lieblingsspazierganges über den Dorfplatz hinunter zum Gasthaus Rössli, wo sein Wunsch nach etwas noch Besserem als frisches Steiner Quellwasser gerne erfüllt wurde.

Nach diesen beiden Kaplanen wohnte noch eine Zeit lang der Posthalter Hürlimann mit seiner Familie in der Kaplanei, ehe das Haus der Gemeinde als Asylantenunterkunft zur Verfügung gestellt wurde.

Ein ganz grosser Dank gebührt dem Ehepaar Karl & Katharina von Rickenbach-Fassbind, welche der Kirchgemeinde einen Nachlass von rund 1.2 Mio. Franken vermachten. Die Teilnehmer an der Kirchgemeindeversammlung vom 8. Dezember 2018 und die Stimmbürger an der Urnenabstimmung vom 7. Dezember 2019 folgten dem Antrag des Kirchenrates, mit dem Legat von Karl & Katharina von Rickenbach-Fassbind die Kaplanei zu restaurieren und damit einen bleibenden Wert für die Steiner Bevölkerung zu schaffen. Mit der Restaurierung des Kaplanenhauses leistete die Kaplanei-Pfrundstiftung aktiv einen Beitrag zum Erhalt des Dorfbildes. Zudem ermöglicht der zentrale Treffpunkt mitten im Dorf die Förderung unseres lebendigen Pfarrei- und Vereinslebens, ein Miteinander zwischen Jung und Alt.

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